Bevor wir uns unserem Mindset nähern, möchte ich gerne noch auf die Natur des Menschen eingehen. Ich glaube, dass unsere Vorstellung darüber wie wir Menschen betrachten, oftmals zu selbstverständlich ist. Wenn wir ehrlich sind, haben wir schon oft andere Menschen bewertet ohne Sie wirklich zu kennen, „Er ist faul“, „Sie ist glücklich“, „Er ist gut“ oder „Sie ist böse“... Doch woher kommt es, dass wir Menschen oftmals aus dem Beobachten in einer Situation bewerten und direkt einem bestimmten Typen zuschreiben? Wir lieben es Kategorien zu bilden und das was wir sehen, hören oder fühlen direkt in unsere inneren Schubladen einzuordnen.
Dabei sollten wir wissen, dass der Prozess der Kategorisierung, des „Schubladendenkens“ auf 2 Ebenen stattfindet. Die 1. Ebene, dass eigentliche Einsortieren als Mechanismus gesehen ist abhängig von Alter und unserer Plastizität des Gehirns. Je jünger wir sind, desto einfacher kann unser Gehirn neue Verbindungen erstellen. Auf der 2. Ebene wiederum geht es um konkrete Inhalte die unser Gehirn zuordnen muss. Dabei sind die im Laufe des Lebens gesammelten Erfahrungen entscheidend, denn die eigentliche Zuordnung ist oftmals erlernt.
Doch warum macht unser Gehirn den ganzen Tag nichts anderes als ständig zu assoziieren und neue Information mit alten Erfahrungen abzugleichen. Die Antwort ist recht simpel, es hilft uns beim Überleben.
Jeden Tag strömen eine Vielzahl von Informationen und Sinneseindrücken auf uns ein. Es gilt Entscheidungen zu treffen, wichtig/unwichtig, gefährlich/ ungefährlich etc..
Dieser ständig ablaufende Prozess findet dann natürlich auch bei der Bewertung meines Gegenübers statt. Schließlich können wir so unsere Bewertung direkt erklären und in das vorhandene Wertesystem integrieren. Das wir dabei eine für uns ganz subjektive Realität erschaffen bleibt nicht aus.
Am Liebsten tun wir das, wenn wir arbeiten oder andere dabei beobachten. Douglas McGregor hat dies in seinem Buch The Human Side of Enterprise (1960) mit zwei völlig unterschiedlichen Menschenbildern beschrieben, den Theorien X und Y. Beide Theorien beschreiben Menschen in Verbindung mit Arbeit und sind in sich schlüssig. Wir finden die Ausführungen von McGregor sehr passend, um darauf unsere Vorstellungen des Mindset, Veränderungen und Motivation in diesem Blog aufzubauen, denn 1. sind wir Beide zunächst auf die Theorien X und Y reingefallen und 2. vereint er hier alle unsere Hashtags. Im Folgenden werden wir beide Menschenbilder miteinander vergleichen, um dann letztlich ein Fazit draus zu ziehen. Dabei ist uns wichtig, dass wir versuchen völlig wertfrei vorzugehen, denn für uns gibt es kein Gut und Böse oder Richtig und Falsch.
Um McGregor ́s Ausführungen folgen zu können, müssen wir zunächst einmal den Grundsatz für uns annehmen, dass wir ausnahmslos alle Menschen eine der beiden Kategorien zuordnen können. Fangen wir an bei der Grundhaltung der X- Menschen, diese lautet: Menschen sind arbeitsavers und mögen die/ihre Arbeit nicht. Kreativität besteht nur in dem Maße, wie man am besten Arbeit reduziert oder Anordnungen boykottiert. Auch das übernehmen von Verantwortung geschieht nur im äußersten Notfall, gilt es doch das persönliche Engagement und Identifizierung mit der Tätigkeit auf ein Minimum zu reduzieren. Auch wenn uns jetzt bereits erste Namen und Gesichter durch den Kopf schießen, haltet euer Urteil noch etwas zurück. Die Y- Menschen stehen diesem Menschenbild konträr gegenüber. Sie wollen vielmehr bei der Arbeit ihr volles Potenzial entfalten, mit Ihrer Tätigkeit wachsen und einen Sinn darin erkennen. Sind diese Rahmenbedingungen gegeben, macht Ihnen Arbeit sogar Spaß! Für die Führungskräfte unter uns bedeutet das also, X- Menschen brauchen Vorgaben und Ansagen, nur so bekommen sie klare Orientierungspunkte. Idealerweise endet jeglicher Arbeitsprozess mit der Kontrolle durch den Vorgesetzten, da dort die Kompetenzen zusammenlaufen.
Die Y- Menschen hingegen benötigen einfach die passenden Rahmenbedingungen zur Selbstentfaltung und organisieren sich selbst. Möchten wir einen X- Menschen motivieren, dann gelingt das in erster Linie durch Geld und Konsequenzen, also Angst. Ein schönes Zitat aus dem Alltag der Führungskräfteentwicklung: „Druck hat bisher noch aus jedem Stück Kohle einen Diamanten geformt!“ Die Y-er sind intrinsisch motiviert, sie besitzen den tiefen Wunsch nach freier Entfaltung der eigenen Potenziale und schaffen ihre Identifikation durch klare Ziele und die Kopplung von Sinn mit Ihrer Arbeit. Auf dem Planeten der Y- Menschen sind alle kreativ, solange die gegebenen Rahmenbedingungen dies zulassen.
Soweit die Beschreibung der zwei Menschenbilder, ich hoffe an dieser Stelle geistern Euch nun genügend persönliche Beispiele aus eurem Umfeld durch den Kopf. Wenn wir jetzt an die Organisationen denken, in denen wir arbeiten, wie sind diese beiden Menschenbilder wohl prozentual aufgeteilt? Und noch spannender, welchem Menschenbild gehöre Ich selbst wohl an? Gönnt euch doch jetzt mal eine Tasse Kaffee und denkt mal darüber nach...
Du bist wieder da? Super, wie ist deine Antwort? Meine war bei diesem Gedankenexperiment beim Lauschen des Vortrages „Organisation für Komplexität“ von Niels Pfläging, mindestens 80% der Belegschaft in meinem Unternehmen sind X- Typen und ich selbst bin einer der Wenigen Yer. Wem geht es nun ähnlich? Dann müssen wir euch leider sagen, haben wir nun ein Problem, denn die X- Menschen gibt es laut McGregor gar nicht. Die gab es nie und wird es auch nie geben, der einzige Ort für X- Menschen ist unser Kopf. X- Menschen leben nur in unserer Vorstellung und darauf fallen wir leider viel zu oft rein, eine selbsterfüllende Prophezeiung. An dieser Stelle des Experiments erwischen wir uns wahrscheinlich dabei, wie unsere schöne selbstkreierte Vorstellung über die Natur des Menschen zerbricht. Ich bin mir ganz sicher, schon einmal einen X- Menschen gesehen oder gar kennengelernt zu haben! Oder war es doch nur ein Vorurteil, weil ich mal wieder einen Menschen anhand seines Verhaltens in einer Situation bewertet habe? Wenn ich euch dabei erwischt haben, braucht ihr kein schlechtes Gewissen zu haben, das ging mir genauso. Wir müssen uns aber mit diesem Wissen im Hintergrund nun aufs Neue fragen, warum handelt mein Gegenüber nun nach den Prinzipien eines Xers. Dabei gilt es jetzt nicht, jegliche Verhaltensweise auf den Charakter des Individuums zu begrenzen, vielmehr wird die Frage sehr komplex. Was führt dazu, dass wir uns zu diesem Zeitpunkt, in diesem Setting eben so verhalten.
Ich möchte euch dazu ermutigen, mit und nicht über eure Mitmenschen zu sprechen. Vor allem lege ich euch ans Herz, Menschen nicht in der ersten Situation direkt zu bewerten sondern zunächst beobachten um im Anschluss zu reflektieren. Dabei gilt es individuelle als auch passende Rahmenbedingungen zu schaffen, die uns allen die Möglichkeit zur freien Entfaltung geben. Gerade in Veränderungen müssen wir also nicht den Menschen verändern sondern die Rahmenbedingungen. Mit dieser Vorstellung der Natur des Menschen wollen wir nun in unserem Blog starten. Nehmt euch diesen Impuls mit und entscheidet in der nächsten Situation selbst, ob ihr die Aussagen von McGregor teilen wollt und was ihr für euch persönlich mitnehmen könnt.
Weil mir Selbstreflexion so am Herzen liegt, bieten wir euch am Ende unserer Blogeinträge immer noch ein paar Fragen zum Nachdenken über das aktuelle Thema:
Wie habe Ich meine Mitmenschen bisher gesehen?
Wie habe Ich mich selbst eingeschätzt?
Was hat meine Einschätzung mit mir und meinen Mitmenschen gemacht?
Welche Rahmenbedingungen brauche Ich selbst, um mein volles Potenzial zu entfalten? Was kann Ich konkret tun, um das Wachstum der Y- Menschen zu verbessern?
Comments