Wege entstehen dadurch, dass man sie geht (Franz Kafka). Wer kennt es nicht, wir stehen vor einer großen Herausforderung und wissen ziemlich genau wo wir hinwollen. Aber bereits beim Anblick des langes Weges zum Gipfel kommen die ersten Zweifel auf. „Das werde ich niemals schaffen“ „Das kann ich nicht“ „Das hat noch niemand geschafft“ „Dafür habe ich keine Zeit“ „Ich fange morgen an“. Wir alle kennen diese Ausreden! Aber wo kommen unsere Selbstzweifel her? Im Laufe unseres Lebens machen wir viele Erfahrungen und greifen bei neuen Herausforderungen gerne auf eben dieses alte Wertesystem zu, soweit so gut. Und es scheint ja etwas zu geben, dass uns dazu veranlasst unsere Entscheidungen zu treffen. Wir glauben, dass unser „Mindset“ bzw. unsere Wertebasis dabei eine entscheidende Rolle spielt.
Doch was verstehen wir eigentlich unter diesem Begriff? Im Jahrbuch der Personalentwicklung (2020) wird das Mindset als eine „gewohnheitsmäßige Denkweise, geistige Haltung und Mentalität eines Menschen“ beschrieben, die unsere Interpretationen und Reaktionsweisen in verschiedenen Situationen bestimmt. Unsere innere Haltung lässt uns also stets unsere eigene subjektive Realität erleben.
Viele Begriffe werden oftmals synonym verwendet: Mindset, Haltung oder Persönlichkeit sind aus aktuellen Debatten kaum weg zu denken. Ich möchte an dieser Stelle nicht diskutieren welcher Begriff der „richtige“ oder „wahre“ ist, denn ich denke für jede Meinung gibt es gute Gründe. Ich habe mein Netzwerk gefragt was sie unter einem „Mindset“ verstehen. Einige glauben an eine gewachsene innere Haltung, die uns immer beeinflusst, andere verstehen es eher als eine bestimme Haltung einer individuellen Situation, einem Projekt oder einer Sache gegenüber. Doch sprechen wir nicht eher über unsere Persönlichkeit, unseren Charakter? Letztlich geht es aus unserer Sicht um gewachsene Werte und Prinzipien, die uns täglich dabei helfen in unserer komplexen Umwelt Entscheidungen zu treffen. Dabei sind wir uns alle einig.
Ich möchte Euch an dieser Stelle ein Angebot für eine weitere Unterscheidung geben, Growth versus Fixed Mindset! Wer ein Growth-Mindset hat, oft auch als „dynamisches Selbstbild“ oder „Wachstumsdenken“ bezeichnet, ist davon überzeugt seine Fähigkeiten weiterentwickeln zu können, lernt um Dinge besser zu verstehen, mehr zu erfahren, sieht Fehler als Möglichkeit etwas Neues auszuprobieren und sich weiterzuentwickeln. Hier ist eine erkennbare Parallele zum Menschenbild der Theory „Y“ nach MC Gregor, denn nur wer die Natur des Menschen so anerkennt, dass jeder Mensch grundsätzlich zur Selbstentfaltung, Kreativität und Selbstorganisation fähig ist, kann sich selbst auch so sehen und akzeptieren. Dem entgegen steht das Fixed Mindset, auch als „statisches Selbstbild“ oder „statisches Denken“ bezeichnet.
Menschen mit diesem Mindset sind überzeugt, dass es rein vom Talent abhängt, ob er etwas kann oder nicht. Man lernt mit der Intention positives Feedback zu bekommen, also gute Noten, einen Bonus oder ein Lob. Fehler werden als Bedrohung oder Abwertung seiner eigenen Person gewertet. Auch hier kann eine Nähe zu Mc Gregor hergestellt werden, allerdings eher zur Theorie „X“.
Nun geht es aber hier weniger um mein Verhalten im Kontext Arbeit, sondern eher um die Art und Weise wie ich denke, welche Erwartungen ich an den Tag lege und wie ich entscheide. Habe ich ein positives Menschenbild gepaart mit einem Growth Mindset, dann werde ich feststellten, dass ich zwar auch nicht immer alles „richtig“ mache, aber dazu bereit bin aus Fehlern oder Irrtümern zu lernen.
Während Menschen mit einem negativeren Menschenbild und einem Fixed Mindset eher dazu neigen Fehler zu vermeiden. Dafür zahlen sie jedoch oftmals den Preis in ihrem Status quo fest zu sitzen. So schränken sie sich selbst in ihrer Entwicklung ein und konzentrieren sich auf das, was bisher schon immer gut geklappt hat. Das hat zur Folge, dass sie sich nie wirklich weiterentwickeln können, denn ihre Überzeugung heißt „Ich scheine für nichts so richtig Talent zu haben“. Ein Growth Mindset sieht hier kein Hindernis, denn schließlich heißt die Überzeugung „Ich kann alles erreichen!“. Das beeinflusst insbesondere unseren Umgang mit neuen Herausforderungen, denn nur weil ich etwas noch nicht kann, bedeutet es nicht, dass ich das nie können werde.
Nehmen wir das Erlernen einer neuen Sprache als Beispiel. Im Urlaub möchte ich im Restaurant etwas zu essen bestellen. Jemand mit einem fixierten Mindset wird versuchen, verkrampft die Bezeichnung in der Karte richtig vorzulesen und idealerweise noch auf ein passendes Bild dazu zu zeigen. Der Tischnachbar mit dem Growth Mindset versucht bereits frei seine Bestellung aufzugeben, auch wenn die Möglichkeit besteht, dabei einen Fehler zu machen. Das Entscheidende hierbei ist, dass wir uns neuen Herausforderungen stellen, um daran zu wachsen und neue Dinge zu lernen. Wir selbst haben schon oft die Erfahrung gemacht, uns selbst unter Druck zu setzen wenn wir etwas perfekt machen oder jemand anderem gefallen möchten. Allerdings gab es da oftmals diesen inneren Treiber, keinen Fehler machen zu wollen, was leider oftmals genau zu dem Gegenteil führte.
Ich habe immer Menschen bewundert, die gefühlt sehr gelassen mit neuen Herausforderungen umgegangen sind und dabei sogar erfolgreich waren, ohne vorher einen Masterplan zu schmieden. Wer sagt uns denn schon was „richtig“ und was „falsch“ ist? Das sind wir selbst, ganz alleine. Auch wenn unsere Sozialisation und Erziehung ihren großen Teil dazu beiträgt.
Was möchte ich damit sagen? Eine Strategie der Fehlervermeidung zu fahren, führt nicht selten genau zum Gegenteil und endet in einer selbsterfüllenden Prophezeiung. Sind wir davon überzeugt eine neue Situation zu meistern, wenn auch nicht perfekt und glauben wir eher an die Chance in etwas Neuem als an das Risiko, dann ist unser möglicher Erfolgsraum deutlich größer. Wer lange Zeit mit fixierten Annahmen lebt, kennt vermutlich das Gefühl des Versagens. Egal ob bei einer vergeigten Prüfung in der Schule oder der Uni, ein gescheitertes Projekt im Job oder auch privat. Es beginnt die Suche nach dem „Schuldigen“. „Warum Ich?“ „Womit habe ich das verdient?“ Auf solche Fragen werden wir keine Antwort bekommen. Gesellschaftlich ist es leider noch nicht wirklich etabliert, einen Fehler machen zu können oder nach einer Annahme festzustellen, sich geirrt zu haben.
Auch das „Versagen“ im Sinne einer schlechten Note oder Bewertung gibt uns ein schlechtes Gefühl. Die Wenigsten schaffen es, aus solchen Situation das Beste herauszuziehen und daran zu wachsen. Spieler die im Fußball auf einer neuen Position spielen auf der sie bisher wenig Erfahrungen gemacht haben, werden dort womöglich zunächst weniger glänzen, als auf ihrer routinierten Stammposition, aber sie werden viel mehr lernen und ihre Kompetenzen und Skills auf ein ganz neues Level bringen.
Carol Dweck, eine amerikanische Wissenschaftlerin nahm erstmals Forschungsversuche dazu auf. Sie wollte wissen, warum manchen Schülerinnen und Schülern schwierige Aufgaben einfacher fallen als anderen. Welche Rolle unsere Einstellung dazu spielt, wie sie entsteht und was es für Folgen hat, wenn Menschen mit einem Wachstumsdenken an schwierige Aufgaben herangehen. Carol Dweck sagt in einem Interview sinngemäß: „Die Erkenntnis des Growth-Mindset bedeutet nicht, dass alle gleich sind. Es bedeutet keinesfalls, dass wir nicht alle doch unterschiedliche Fähigkeiten haben. Die Forschung zum Growth- und Fixed Mindset zeigen jedoch, dass jeder von uns wachsen kann.“ Hier und in weiteren Studien können wir sehen, dass Menschen mit einem dynamischen Selbstbild und der vollen Überzeugung diese Situation bestmöglich zu meistern, am Ende tatsächlich auch erfolgreicher sind.
Ich möchte Euch dazu ermutigen, die Haltung des Growth Mindset einfach einmal auszuprobieren! Statt euch selbst klein zu reden und euren Selbstzweifeln Raum zu geben, versucht euch mehr zuzutrauen. Die gute Nachricht ist, jeder von uns kann sich selbst mit seiner Einstellung und Haltung pushen. Was wir brauchen sind vor allem Geduld und Selbstreflexion. Den ersten Schritt könnt nur ihr selbst gehen, niemand anders. Am Besten fangt ihr mit kleinen Dingen in eurem Alltag an und steigert mit guten Erlebnissen euer Growth Mindset.
Fragen zur Selbstreflexion:
Wie sehe ich mich selbst?
Wie habe ich bisher vor neuen Herausforderungen gedacht?
Was genau motiviert mich, wenn ich vor neuen Herausforderungen stehe?
In welchen Situationen möchte ich mir selbst mehr zutrauen?
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